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Max Josef von Pettenkofer -unser größter- Chemiker,Hygieniker, Physiologe, Epidemiologe, * 3.12.1818 Lichtenheim bei Neuburg/Donau, † (Freitod) 10.2.1901 München P. wuchs als fünftes von acht Kindern in ärmlichen Verhältnissen auf. 1827 zum Schulbesuch nach München zu einem Onkel geschickt, wandte er sich nach der Reifeprüfung 1837 dem Studium der Naturwissenschaften und der Pharmazie zu und arbeitete seit 1839 als Lehrling in der Hofapotheke. 1840 trat er kurzzeitig als Schauspieler auf, setzte jedoch 1841 das Studium der Medizin und Chemie fort. In seiner ersten Veröffentlichung 1842 beschrieb P. ein Verfahren zum Arsennachweis und zur Trennung von Arsen und Antimon. 1843 legte er die Approbationsprüfung als Apotheker ab und wurde zum Doktor der Medizin, Chirurgie und Geburtshilfe promoviert (Ueber Mikania Guaco, in: Repert. f. Pharmacie 86, 1844, S. 289-323). 1843/44 setzte P. sein Studium in Würzburg bei →Johann Josef Scherer (1814–69) und in Gießen bei →Justus v. Liebig (1803–73) fort, der P. nachhaltig beeinflußte. Ohne Aussicht auf eine Anstellung in Gießen kehrte er nach München zurück, wandte sich zunächst der Dichtkunst zu und verfaßte die erst 1890 veröffentlichten „Chemischen Sonette“. 1845 nahm er eine Stellung in der kgl. bayer. Münze an, wo er ein neues Verfahren zur verfeinerten Gewinnung von Gold, Silber und Platin bei der Ummünzung des Kronentalers entwickelte. Sein Verfahren zur Herstellung von rotem Hämatinonglas („antikes Porporino“), das Kg. →Ludwig I. sehr schätzte, war für die Berufung auf den neu geschaffenen Lehrstuhl für Medizinische Chemie der Univ. München 1847 von maßgeblicher Bedeutung. Zunächst wurden P.s Vorlesungen unter den Titeln „diätetisch-physiologische Chemie“ und „öffentliche Gesundheitspflege“ angekündigt, seit seiner Berufung zum o. Prof. für Hygiene 1865 als „Vorträge über Hygiene“. 1850 übernahm P. nach dem Tod seines Onkels zusätzlich die Leitung der Hofapotheke. Bereits seit 1847 wurde hier „Liebig's Fleischextrakt“ hergestellt und verkauft; seit 1862 war P. an einem wirtschaftlich sehr erfolgreichen Unternehmen beteiligt, das Fleischextrakt aus Uruguay importierte (Liebigs Extract of Meat Company, London). Die Frage, ob der Extrakt ein Nahrungs- oder Genußmittel sei, wurde von P. und →Liebig kontrovers diskutiert. 1852 konnte er Kg. →Maximilian II. dazu bewegen, →Liebig nach München zu berufen. Während seines Univ.-Rektorats 1864/65 setzte P. bei Kg. →Ludwig II. die Einrichtung von Hygienelehrstühlen an allen drei bayer. Universitäten durch. 1865 gründete er die „Zeitschrift für Biologie“, die er 18 Jahre lang mit herausgab, 1883 das „Archiv für Hygiene“. Nach Ablehnung eines Rufes an die Univ. Wien wurde ihm die Einrichtung eines Hygieneinstituts zugesichert, das 1879 fertiggestellt wurde. Seine dort zusammen mit →Carl v. Voit (1831–1908) durchgeführten Untersuchungen errangen rasch internationales Aufsehen und führten zur weltweiten Etablierung dieses Fachgebiets. 1867-83 gelang P. die hygienische Sanierung der Stadt München durch die Einrichtung einer europaweit vorbildlichen Trinkwasserversorgung sowie eines leistungsfähigen Abwassersystems (Schwemmkanalisation). Die verbesserten sanitären Verhältnisse führten zu einem Rückgang der Gesamtsterblichkeit um 25% (1870-90) und der Typhussterblichkeit um 80% (1880-98). Zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn waren Chemie und Physiologie seine bevorzugten Arbeitsgebiete. P. wies erstmals Hippursäure und Kreatinin im Urin nach und beschrieb den Gallensäurenachweis im Harn mit Hilfe einer Zuckerlösung und konzentrierter Schwefelsäure („Pettenkofer-Reaktion“, 1844). Er erfand die Kupfer-Amalgam-Zahnfüllung (1848), stellte verbesserte Methoden zur Zementproduktion vor (1849), analysierte die Mineralquelle von Heilbrunn (1851), beschrieb Verfahren zur Holzgas-Beleuchtung öffentlicher Gebäude in Basel und München (1857), zur Messung des Kohlendioxid-Gehalts der Atemluft und zur Restaurierung alter Gemälde (1863). P.s physiologische|Studien beschäftigten sich v. a. mit Stoffwechsel und Ernährung sowie mit der Atmung. 1861 ließ er eine Respirationskammer bauen, die exakte experimentelle Erforschung des Energieumsatzes im Körper erlaubte. Auf dem Gebiet der Hygieneforschung bear beitete P. sehr vielfältige Themen, u. a. die Einwirkungen von Klima, Kleidung, Heizmaterial, Belüftung, Grundwasser und Boden auf die Krankheitsausbreitung, die Trinkwasser- und Nahrungsmittelhygiene, Abwasser- und Fäkalhygiene, die Desinfektion und die Hygiene in öffentlichen Einrichtungen sowie Medizin- und Biostatistik. Epidemiologisch beschäftigten P. insbesondere Cholera und Typhus. Er nahm bereits 1869 an, diese könnten durch spezifische Mikroorganismen und Umweltfaktoren verursacht sein. Seine „Grundwasserhypothese“ besagte, daß neben infektiösen Keimen ein sinkender Grundwasserspiegel für die Ansteckung zwingend erforderlich sei. Über die Entstehungsursachen von Cholera und Typhus entwickelte sich eine jahrzehntelange Kontroverse zwischen Befürwortern („Kontagionisten“) und Gegnern („Miasmatiker“) von P.s Hypothese. P. erkannte die 1883 von →Robert Koch (1843–1910) entdeckten Vibrionen als Cholera-Erreger an, war jedoch so von seiner Hypothese, die Mikroorganismen allein würden keine Krankheit verursachen, überzeugt, daß er 1892 in einem spektakulären Selbstversuch eine hochinfektiöse Vibrionen-Kultur schluckte, ohne zu erkranken. 1894 ließ er sich emeritieren und gab 1896 auch seine Tätigkeit in der Hofapotheke auf. P. wurde von Zeitgenossen als warmherzige, humorvolle und gelegentlich melancholische Persönlichkeit beschrieben. Geplagt von zunehmenden Schmerzen und Depressionen, erschoß er sich; die Obduktion ergab eine chronische Hirnhautentzündung und Zerebralsklerose.